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„Höher, schneller, stärker“ oder doch wieder „Dabei sein ist alles“?

Standpunkt: DGfM-Geschäftsführer Christian Bruch zu den Chancen des Regelstandards E

DGfM-Geschäftsführer Christian Bruch Foto: Christoph Große

Berlin, Juli 2024  –  Citius, altius, fortius zu Deutsch: schneller, höher, stärker lautete das im Rahmen des Ersten Olympischen Kongresses vorgeschlagene Motto der Olympischen Spiele. Dieses Motto bestimmt in einer Wachstumsgesellschaft nicht nur den Sport, sondern vielfach auch das gesellschaftliche Leben, die Produktion und den Konsum.

Übersetzt für die Baustoffbranche war das in den letzten Jahrzehnten das Streben nach immer besseren Produkten. Ihre Verwendung sollte den Gebäuden die Erfüllung immer höherer Anforderungen an mechanische Festigkeit und Standsicherheit, Brandschutz, Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz ermöglichen. Um die Markstellung zu verbessern, wurden nicht nur die Auswirkungen auf Grundanforderungen, sondern auch die Erfüllung von Komfortansprüchen zu Leistungsmerkmalen von Bauprodukten. Ähnlich wie im Leistungssport wurde über die Zeit der Aufwand für die Leistungssteigerungen immer höher, die Schritte der Steigerung jedoch immer kleiner. Überspielt wurde das Problem des abnehmenden Grenznutzens durch billiges Geld und staatlich ausgereichte Subventionen.

Spätestens seit Zinssprung, anschließender Inflationsbekämpfung und Reduzierung der Neubauförderung auf ein Rekordtief muss die Branche ohne diese Mittel auskommen. Die Folgewirkung ist unübersehbar. Trotz immens hoher Bedarfe ist die Nachfrage nach Wohnungsbau und damit nach Bauprodukten heftig eingebrochen.

Während Höchstleistungen im Spitzensport Ansporn für persönliche Bestleistungen im Breitensport bieten, sind Hochleistungsbaustoffe darauf angewiesen, auch breit im Markt genutzt zu werden. Die Fördergelder gingen daher nicht direkt an die Baustoffbranche, sondern der private Kleinvermieter, der Selbstnutzer, die Wohnungsbaugesellschaft konnten sich erst mit der Förderung die Spitzenprodukte leisten.

Hier sind Leistungssport und Baubranche dann doch nicht vergleichbar

Mit dem Wegfall der Mittel fragt sich nun, was können die Wohnungsbauinvestoren ohne Förderung leisten? Sind durch das „billige Geld“ zu hohe Erwartungen und Anforderungen geschürt worden?

Letztere Frage beantwortet die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen in Kiel schon seit längerem klar mit ja! Auf dem letztem Wohnungsbau-Tag rechnete Prof. Dietmar Walberg vor, dass der Status quo des Wohnungsbaus bei Herstellungskosten von ca. 4.079 EUR je Quadratmeter Wohnfläche liegt, obwohl zur Erfüllung der Mindestanforderungen ein Betrag von 2.719 EUR ausreichen würde. Ein marktgerechter Regelstandard E, der z.B. auch den Bau von einfachen Balkonen erfasst, ist nach seinen Aussagen für 2.967 EUR je Quadratmeter Wohnfläche erreichbar.

Also alles ganz einfach? Bauen nach Regelstandard E, dadurch ein Viertel der Baukosten einsparen und so endlich überhaupt wieder mehr Wohnungsbau, also mehr „dabei sein ist alles“ ermöglichen?

Leider ist die Lösung nicht ganz so einfach, weil eine Mischung aus Werkvertragsrecht, Verbraucherschutz, Zuschreibung von Haftungs- und Aufklärungsvorschriften sowie Definition der „anerkannten Regeln der Technik“ den Vertragsparteien die rechtssichere Minderung von Erwartungen und Anforderungen fast unmöglich macht.

Der vor der Sommerpause vom Justizministerium vorgelegte Entwurf zum Gebäudetyp-E-Gesetz will hier Abhilfe schaffen und zumindest den fachkundigen Unternehmern die Abweichung von den „anerkannten Regeln der Technik“ erleichtern. Für den Erfolg der Regelung wird ausschlaggebend sein, ob auch der Endverbraucher in Form von selbstnutzendem Eigentümer, privatem Kleinvermieter oder Mieter einer Wohnungsbaugesellschaft an den Gebäudetyp E gebunden werden können. Der Regelungsvorschlag, der zwischen Ausstattungs- und Komfortansprüchen sowie sicherheitsrelevanten Normen unterscheidet, könnte sich dafür als hinderlich erweisen, da er zusätzliche Abgrenzungsprobleme aufwirft.