Zwischenbilanz aus dem Thinktank
Vor zwei Jahren übernahm Prof. Dr.-Ing. Eric Brehm den Vorstandsvorsitz im Deutschen Ausschuss für Mauerwerk e.V. (DAfM). Der Bauingenieur lehrt Stahlbeton- und Mauerwerksbau an der Hochschule Karlsruhe und ist als Beratender Ingenieur in der Praxis tätig. Ein besonderes Thema seines wissenschaftlichen Engagements ist der Einsatz von Robotik im Mauerwerksbau.
Herr Professor Brehm: Was hat sich seit dem Start des verjüngten DAfM-Vorstandes in den vergangenen beiden Jahren entwickelt?
Wir wollten den DAfM vor allem sichtbarer machen, d.h. Veranstaltungsformate und Schriftenreihe vorantreiben sowie unsere Mitgliederzahlen erhöhen. Das war mit Corona-Schock und Konjunkturschwäche anfangs gar nicht einfach. Inzwischen konnten wir aber viele gute Projekte aufsetzen und ich kann erfreut konstatieren, dass Schwung in die Ergebnisse unserer Bemühungen kommt. Unsere digitale Fortbildungsreihe „Feierabendseminar“ entwickelt sich erfolgreich. Die erfolgreiche Initiierung und Beteiligung an ZIM-Netzwerken ist ein Meilenstein für den DAfM. Und auch die Schriftenreihe wird kontinuierlich fortentwickelt. Ganz neu ist unser Hochschulpreis, für den erfreulich viele Einreichungen zu verzeichnen waren. Ich freue mich schon auf die Preisverleihung im Herbst.
Grundsätzlich bleibt aber noch großes Potenzial zur Weiterentwicklung des DAfM. Einen sehr wichtigen Baustein dafür, die Möglichkeit zur direkten Mitarbeit in den Normungsgremien, bereiten wir derzeit vor.
Perspektivisch möchte wir uns drei Megathemen widmen. Zu „Klima und Klimawandelfolgen“, „Nachhaltigkeit“ und „Bauen im Bestand“ bereiten wir eigene Ausschüsse vor.
Wie wichtig ist die Institution des DAfM inzwischen für die Perspektiven im Mauerwerk? Wo ist der besondere Bedarf?
Wir haben im Mauerwerk die besondere Situation, dass wir die Produkte verschiedener Steinindustrien und verschiedene Bauweisen mit gemeinsamen Interessen bündeln müssen. Innerhalb des DAfM haben wir diese Möglichkeit und können unseren Mitgliedern im Konzert aller anderen Baustoffe auch eine Stimme verleihen.
Wenn im Moment bestimmte Bauweisen politisch favorisiert werden, sind wir zudem auch eine Instanz, die die Mittel zur exakten, technischen Argumentation für die Mauerwerksbauweise vorlegen kann. Außer dem DAfM gibt es schlichtweg keine übergeordnete Organisation, die solche Beiträge leisten und solche Diskurse mit echter Expertise begleiten kann.
Was sind die derzeit großen Themen im DAfM?
Es gibt immer Themen, die dem einen Mitglied wichtiger sind als dem anderen. Diskussionen fallen deshalb konstruktiv, kontrovers, aber auch ergebnisoffen aus, wenn es z. B. um die Normierung von Wandstärken zur Einbruchhemmung oder um Definitionen zum Schallschutz geht.
Grundsätzlich gilt aber: Nachhaltigkeit und Klimaneutralität bewegen alle unsere Mitglieder. Wirklich jeder hat Interesse daran, dieses Thema proaktiv zu bearbeiten.
Welche Rolle kann der DAfM beim Thema Nachhaltigkeit einnehmen?
Wir haben Richtlinienkompetenz und sprechen direkt mit der Bauaufsicht. Außerdem bereiten wir derzeit unseren Ausschuss für Sanierung im Bestand vor. Dort sollen dann auch Themen wie die bauphysikalische Ertüchtigung oder Möglichkeiten zur Nachverdichtung mit Mauerwerk behandelt werden.
Wie kann sich die Expertise des DAfM in diesem und in anderen Themenfeldern weiterentwickeln?
Klar: Wir suchen weiterhin Expertenunterstützung – denn es fehlt uns wirklich an Kapazitäten. Unser Problem ist, dass Mauerwerk als Bauweise einfach zu etabliert ist und unter Ingenieuren schlichtweg als zu einfach und zu profan angesehen wird. Vieles wird an den Hochschulen nicht mehr gelehrt, weil die Mauerwerksweise aufgrund ihrer sehr langen Historie quasi selbstverständlich geworden ist. Dabei ist Mauerwerk im Wohnungsbau nach wie vor die dominierende Wandbauweise und ein High-Tech-Produkt, das kosteneffizient und nachhaltig ist. Bei objektiver Betrachtung ist Mauerwerk als Wandbaustoff im Wohnungsbau eigentlich unschlagbar.
Es fehlt in der Hochschulausbildung auch die Vermittlung von Techniken der Ausführung und korrekten Planung von Mauerwerksbauteilen. Wir brauchen verpflichtende Baukonstruktionsvorlesungen, in denen Mauerwerk wieder explizit auftaucht, und das nicht nur bei den Bauingenieur-, sondern insbesondere auch in den Architekturstudiengängen.
Dazu engagieren wir uns in der Akkreditierungsstelle für die Bauingenieurstudiengänge, dort übernehmen wir die Mitgliedschaft der DGfM. Das Lehrportal www.mauerwerksbau-lehre.de wird in diesem Zusammenhang sehr gut angenommen, auch dieses führen wir anstelle der DGfM weiter.
Weil wir uns explizit als Bindeglied zwischen Lehre und Praxis verstehen, macht auch unsere Arbeit mit Fortbildungs- und Fachveranstaltungen und der Vermittlung von Referenten und Industriekontakten Sinn. Die Hochschularbeit selbst nehmen wir ohnehin als unsere grundsätzliche Aufgabe wahr.
Gibt es andere, neue Forschungsaufgaben, mit denen sich der DAfM in der Zukunft beschäftigen wird?
Als besonderen Erfolg betrachten wir unser Heft „Nachhaltiges Mauerwerk“. Dort finden sich Arbeiten zu sehr unterschiedlichen Themen wie die Rückbaubarkeit von Mauerwerk oder zum Einsatz von Mauerwerksrobotern. Die Robotertechnik hat besondere Relevanz, weil ja die gesamte Industrie massiv unter dem Mangel an Maurern und Handwerkern leidet. Insgesamt bearbeiten wir in unserem ZIM-Netzwerk inzwischen bereits acht verschiedene Vorhaben.
Das macht auch in der öffentlichen Kommunikation Sinn: Mit Arbeiten zur Rekarbonatisierung und zur Nachhaltigkeitszertifizierung kann schließlich einer breiteren Öffentlichkeit auch dargelegt werden, wie nachhaltig Mauerwerk ist. Unsere Baustoffe bringen ideale Voraussetzungen für die Bauphysik mit, man denke an Energiespeicherfähigkeit oder Schallschutz. Darüber hinaus sind die Rohstoffe für Mauerwerk gut verfügbar und auch besonders kostengünstig.
Nach zwei Jahren DAfM-Vorstand: Wie lauten die drei nächsten wichtigen Schritte, die sie mit dem DAfM gehen wollen?
Wir wollen eine Mitgliedergewinnung aus einem erweiterten Branchenbegriff mit Architekten, Bauherren, Industriepartnern und Firmen mit innovativen Ausrichtungen erzielen. Nur so und mit noch mehr Veröffentlichungen wird es uns gelingen, weiter zu wachsen. Und ganz wichtig: Wir müssen dranbleiben und an den richtigen Themen arbeiten, um weitere Relevanz zu schaffen.