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Verbändebündnis Wohnungsbau fordert: Bezahlbare Wohnungen und bezahlbarer Klimaschutz

„Bauen – Umbauen – Modernisieren“ muss der Fahrplan für den Wohnungsbau in der kommenden Dekade sein.

Welche Voraussetzungen sind erforderlich, um die anspruchsvollen Ziele der neuen Regierung aus SPD, Grünen und FDP im Wohnungsbau und Klimaschutz zu realisieren?

Die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP will einen Aufbruch im Wohnungsbau und im Klimaschutz: Es soll nicht nur die Zahl der neu geschaffenen Sozialwohnungen pro Jahr im Vergleich zur letzten Legislaturperiode nahezu vervierfacht, sondern auch der Weg zu einem klimaneutralen Wohnungsbestand bis 2045 konkret aufgezeigt werden. All dies geschieht vor dem Hintergrund begrenzter Haushaltsmittel, teurer werdender Baustoffe und knappen Personal-Ressourcen auf dem Arbeitsmarkt. Als erstes wichtiges Zeichen organisiert sich der Bereich Bauen wieder in einem eigenen Ministerium.

Wohnen ist ein Grundbedürfnis, aber immer mehr Menschen – auch aus der Mitte der Gesellschaft – sind in den wachsenden Regionen finanziell überfordert. Die Neuvertragsmieten und Kaufpreise steigen in vielen Regionen weiter an. Die vorliegende Studie der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE) „Wohnungsbau – die Zukunft des Bestandes“ zeigt für den Bestand und für den Neubau einen Weg auf, wie es mit begrenzten finanziellen Mitteln und angespannten Arbeitskräftemärkten gelingen kann, einen klimaneutralen Wohnungsbestand bis 2045 zu realisieren, der die Bürger nicht überfordert.

Das Verbändebündnis Wohnungsbau, in dem seit 2009 Partner aus der Prozesskette Bau organisiert sind, sieht folgende 5 Handlungsempfehlungen für Bund, Länder und Kommunen, um die anspruchsvollen Ziele der Ampelkoalition auf Basis der Erkenntnisse der Studie zu unterstützen und zu erreichen:
 

1. Klimaneutralität bezahlbar umsetzen

Mehr Neubau und energetische Modernisierungen sind erforderlich, um das Wohnen insbesondere in den Ballungsgebieten bezahlbar zu halten und die Klimaziele zu erreichen. Dies gilt mit Blick auf den Bedarf auch unter Berücksichtigung der weiteren Anforderungen der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden EPBD. Die Ergebnisse der ARGE-Studie zeigen klar: Mit einer zukünftigen Orientierung auf einen Energieeffizienzhaus-Standard von EEH 55 oder EEH 40 für den Neubau und von deutlich unter EEH 115 für den Wohnungsbestand sind ein wirtschaftlicher Aufwand aus Sicht der Investoren sowie eine Mietbelastung verbunden, die ohne ausreichende Förderungen nicht mehr zu stemmen sind.

Ein weiteres Verschärfen des Ordnungsrechtes in Bezug auf die Energieeffizienz im Neubau und Bestand ist daher nicht zielführend. Um unter Berücksichtigung knapper Finanzmittel und einer begrenzten Anzahl an Fachkräften dennoch die politische Zielsetzung eines nahezu klimaneutralen Wohngebäudebestandes umsetzen zu können, wird ein Optimum im Neubau beim EEH 70-Standard und in der Modernisierung des Bestandes beim EEH 115-Standard gesehen.

Der Weg zum klimaneutralen Bestand geht notwendigerweise über den intensivierten Ausbau der erneuerbaren Energie am Gebäude, Mieterstrom, eine kommunale Wärmeplanung und Flotten-/Quartierslösungen. Dieser Weg benötigt kurzfristig ein neues Ordnungsrecht und eine neue Fördersystematik mit Ausrichtung auf Treibhausgasemissionen pro Quadratmeter Wohnfläche. Ein Ordnungsrecht noch ausgelegt auf die alte Energieeffizienzförderung und eine neue Fördersystematik ausgerichtet auf Treibhausgaseinsparungen ist unbedingt zu vermeiden. Bis eine Fördersystematik festgelegt ist, schlagen wir eine verstärkte Nutzung der Experimentierklausel vor.

Um den Klimaschutz auch für die Mieter bezahlbar zu gestalten, werden jährlich 8 bis 14 Milliarden Euro an Fördermitteln für die sozial verträgliche Transformation der vermieteten Wohnungen benötigt.
 

2. Investitionsbedingungen verlässlich gestalten

Für die Herstellung der Baustoffe und die Erbringung der Bauleistungen werden Investitionen in Maschinen und Anlagen sowie Fachkräfte benötigt, deren Ausbildung zeit- und kostenintensiv ist. Von daher müssen die investiven Rahmenbedingungen für die Planer sowie die Bau- und Immobilienwirtschaft langfristig – besser in Dekaden als in Legislaturperioden – klar und verlässlich sein. Grundlage dafür ist eine planbare und langfristige Förderung der gesamten Prozesskette Bau bis zum Erreichen der gesetzten Klimaschutzziele. Für das Gelingen der Klimawende braucht es dringend mehr Architekten, Bauingenieure und Facharbeiter. Verstetigte Rahmenbedingungen schaffen auch eine gute Berufsperspektive in der Bauwirtschaft.

Es geht hierbei insbesondere um die sofortige Umsetzung von Maßnahmen, die bereits im Koalitionsvertrag ausgewiesen sind. So muss eine dem tatsächlichen Werteverzehr von Mehrfamilienhäusern angemessene Erhöhung der linearen Abschreibung von 2 auf 3 Prozent zeitnah erfolgen, um einen Attentismus bei Bauherren und Investoren zu vermeiden. In Regionen mit besonders angespannten Wohnungsmärkten wäre die Einführung zusätzlicher steuerlicher Anreize in Verbindung mit der Einhaltung von Mietobergrenzen zu prüfen.
 

3. Beim Neubau auch die Potenziale im Bestand nutzen

Wohnungen können neu gebaut oder im Bestand neu geschaffen werden. Die bedarfsgerechte Vergabe von kostengünstigen Bauflächen ist dabei eine zentrale Voraussetzung für das bezahlbare Bauen.

Gleichzeitig gilt es, vorhandene Potenziale im Bestand zu nutzen. Daher sind die Möglichkeiten der Erweiterung mit Aufstockungen und Dachausbauten, der Nachverdichtung im Quartier und der Umwandlung von Büro- oder Gewerbeimmobilien in bezahlbaren Wohnraum in jeglicher Hinsicht zu fördern. Das betrifft die steuerliche Anreizsetzung für derartige Maßnahmen im Bestand durch eine Erhöhung des Abschreibungssatzes ebenso wie eine verordnungs- und planungsrechtliche Förderung dieser Maßnahmen einschließlich der Gleichbehandlung eines wirtschaftlich sinnvollen Bestandsersatzes mit der klassischen Modernisierung.

Modellrechnungen zeigen, dass allein eine Erhöhung der baulichen Dichte in Ballungszentren (z.B. die Anhebung der Geschoßflächenzahl GFZ von 1,0 auf 2,0) Mietpreissenkungen von 20 Prozent und mehr pro Quadratmeter ermöglichen. Außerdem trägt diese Maßnahme im Bestand auch maßgeblich zu einer Flächenverbrauchsreduzierung bei.
 

4. Mehr Sozialen Wohnungsbau fördern

Der Bestand an Sozialmietwohnungen sinkt seit Jahren kontinuierlich. Um deren Bestand sowie den Bedarf an bezahlbaren Wohnraum zu sichern, hat die Regierung das Ziel gesetzt, mindestens 100.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr zur errichten. Im Schnitt der letzten Jahre wurden aber nur etwa 26.000 Sozialwohnungen neu gebaut. Es braucht umgehend einen Masterplan für den „Sozialen Wohnungsbau“ mit klaren Zielvorgaben und einer neuen, angemessen sozialen Wohnraumförderung. Dabei muss es gelingen, in einem Mix aus Neubau, Modernisierung und dem Ankauf von Belegungsrechten bis zum Jahr 2030 wieder einen Zielbestand von mindestens 2 Millionen Sozialmietwohnungen abzusichern.

Dafür sind bereits ab 2022 ausreichende Fördermittel bereitzustellen. Darüber hinaus sind im Neubau und Bestand umsetzbare energetische Standards erforderlich und verordnungsrechtlich zu untersetzen. Die notwendige Förderung der alters- und generationengerechten Anpassung der Wohnungsbestände darf nicht vergessen und sollte kombinierbar in neue Förderprogramme integriert werden.
 

5. Überfällige Digitalisierung, systematische Nutzung von Skaleneffekten in der Planung und mehr Kostenkontrolle bei Gesetzen, Normen und Planungen

Die auch im Koalitionsvertrag erwähnte notwendige Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Wohnungsbau ist von erheblicher Bedeutung für die Erreichung der gesetzten Ziele. Dazu sind kurzfristig mehr Fachkräfte in den Bauämtern einzusetzen. Es braucht eine schnelle Digitalisierung der Bauämter sowie des gesamten Bauprozesses und eine bundesweite Nutzung von Typengenehmigungen für typisiertes und serielles Bauen.

Nur eine konsequente Durchführung und Berücksichtigung von Folgekostenabschätzungen in den Gesetzgebungs-, Normungs- und Bauplanungsprozessen kann die weitere Baukostensteigerung abbremsen. Diese Kernforderung des Bündnisses für bezahlbares Bauen und Wohnen ist nach wie vor nicht umgesetzt. Dazu gehört auch, dass ordnungsrechtliche Vorgaben technologieoffen gestaltet werden, um einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen.

mehr unter: www.wohnungsbautag.de