Zum Hauptinhalt springen

„Die Baubranche kann nach der Corona-Krise zum Konjunkturmotor werden!“

Der Vorsitzende Dr. Hannes Zapf und der Geschäftsführer Dr. Ronald Rast erläutern, warum man in Zukunft stärker auf die regionale Wirtschaft setzen sollte, warum der soziale Wohnungsbau noch wichtiger werden wird und welche ersten Schlussfolgerungen Politik und Wirtschaft aus der Krise ableiten können.

Dr. Hannes Zapf (rechts) und Dr. Ronald Rast (links) sind die führenden Vertreter der DGfM, die die Verbandsinteressen des Mauerwerks- und Wohnungsbaus in Deutschland wahrnehmen. Foto: DGfM

Materialengpässe, fehlende Bauarbeiter – erste Auswirkungen der Corona-Krise machen sich auch in der Baubranche bemerkbar. Die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau e.V. (DGfM) ist die Interessevertretung der Mauerstein erzeugenden Industrie. Schwerpunkt des Verbandes ist der Wohnungsneubau, der zu über 70 Prozent mit Mauerwerk errichtet wird. Der Vorsitzende Dr. Hannes Zapf und der Geschäftsführer Dr. Ronald Rast erläutern, warum man in Zukunft stärker auf die regionale Wirtschaft setzen sollte, warum der soziale Wohnungsbau noch wichtiger werden wird und welche ersten Schlussfolgerungen Politik und Wirtschaft aus der Krise ableiten können.

 

Herr Dr. Zapf, wie ist die aktuelle Lage in den Mitgliedsunternehmen der DGfM?

Dr. Hannes Zapf: Bislang sind bei den Herstellern noch keine Einbußen spürbar. Unsere Mitgliedsunternehmen verzeichnen derzeit sogar einen stärkeren Absatz als im vergleichbaren Vorjahresmonat. Wie es scheint, kommt es auch bei Mauersteinen zu einer gewissen Vorratshaltung. Sowohl einige Baustoff-Fachhändler als auch einige Bauunternehmer füllen Ihre Lagerbestände an Mauersteinen auf, um für das, was da noch kommen könnte, gewappnet zu sein. In der Krise zeigt sich, welche Vorteile es hat, nicht von internationalen Warenströmen abhängig zu sein. Ich hoffe, dass diese Erkenntnis über Corona hinaus Bestand haben wird. Probleme könnte es hingegen auf den Baustellen geben. Denn bis zu 100.000 der am Bau Beschäftigten sind Entsendearbeiter, überwiegend aus Osteuropa. Hier sollte die Politik sicherzustellen, dass diese Fachkräfte mit erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen so schnell wie möglich weiterarbeiten können.

Herr Dr. Rast, welche Maßnahmen wurden in den Betrieben zum Schutz der Mitarbeiter getroffen?

Dr. Ronald Rast: Der Automatisierungsgrad in der Mauersteinindustrie ist sehr hoch. Teilweise reichen drei bis fünf Mitarbeiter aus, um den gesamten Maschinenpark in einer Schicht zu steuern. Der Personaleinsatz in der Produktion ist also vergleichsweise gering, so dass sich auf relativ großen Flächen wenig Personal befindet und die Gefährdung per se in Grenzen hält. Anders sieht es im Vertrieb, in der Logistik und der Verwaltung aus. Hier wird streng auf Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen geachtet. Wo es möglich ist, wurden zudem abgegrenzte Zonen für die Mitarbeiter eingerichtet. Auch bei der Ausstellung der Lieferscheine wird mit größter Vorsicht vorgegangen. Angesichts voller Auftragsbücher sind bisher Betriebsschließungen oder Kurzarbeit in unseren rund 200 Mauersteinwerken noch kein Thema. Aber das kann sich ganz schnell ändern, wenn die Baustellen zum Erliegen kommen.

Reicht der von der Bundesregierung verabschiedete Rettungsschirm zur wirtschaftlichen Abfederung der Corona-Krise aus?

Dr. Hannes Zapf: Das wird sich zeigen. Aber da nahezu alle Bürger und Unternehmen betroffen sind, könnte ich mir vorstellen, dass das gerade verabschiedete Milliardenpaket der Bundesregierung nicht reichen könnte und insbesondere nach Corona um ein Konjunkturanschubpaket ergänzt werden müsste. Mit 860.000 Beschäftigten ist die Baubranche eine der wichtigsten Branchen. Damit es hier nahtlos weitergeht, müssen insbesondere die vielen kleinen und mittelständischen Bauunternehmen, die mehr als zwei Drittel aller Wohnungsbauten in Deutschland errichten, liquide und handlungsfähig bleiben. Dies kann über Zuschüsse, Überbrückungskredite oder Steuererleichterungen erfolgen. Zudem muss die Politik sicherstellen, dass Menschen, die aufgrund von Einkommenseinbußen oder Einnahmeausfällen mit der Miete oder der Zahlung von Kreditraten in Rückstand geraten, nicht ihre Wohnung verlieren. Denkbar wäre ein staatlicher Fonds, der Mietausfälle abfedert und dafür sorgt, dass der Mietermarkt weiter funktioniert. Das gilt natürlich auch für die Wohneigentümer, denn insgesamt wohnen in Deutschland etwa gleich viele Haushalte zur Miete bzw. in Wohneigentum. Schon vor Corona hatten wir der Politik vorgeschlagen, für Wohneigentümer einen Sicherheitsfonds nach niederländischem Vorbild einzurichten. Gerade Bauherren und Investoren werden sich angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Entwicklung in nächster Zeit zurückhalten, wenn das mögliche Risiko für sie zu groß erscheint. Damit dies nicht zum Bremsklotz für die ganze Baubranche wird, sollten neben der Einrichtung von Sicherungsfonds durch die Politik ganz bewusst längerfristig stabile Rahmenbedingungen für Investitionen geschaffen werden. Dazu gehört dann auch, die Sonder-AfA und das Baukindergeld als konjunkturelle Stütze weit über das nächste Jahr hinaus zu verlängern – und das möglichst bald.

Vor Corona stand bezahlbarer Wohnraum ganz oben auf der politischen Agenda. Wird das Thema nach der Krise wieder in den Fokus rücken?

Dr. Ronald Rast: Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum wird aus meiner Sicht sogar noch an Bedeutung gewinnen. Denn viele Menschen müssen aufgrund von Kurzarbeit Gehaltseinbußen hinnehmen, andere werden aufgrund von Insolvenzen vielleicht sogar ihren Arbeitsplatz ganz verlieren. Vor diesem Hintergrund wird die Förderung des sozialen Wohnungsbaus eine der wichtigsten politischen Aufgaben bleiben. Da bezahlbares Wohnen mit preisgünstigem Bauen beginnt und der Mauerwerksbau zur Errichtung neuer Wohnungen die wirtschaftlichste Bauweise ist, können und wollen wir gemeinsam mit den ganzen Prozesskette Bau einen aktiven Beitrag zur Lösung der Wohnungsbauproblematik leisten.

Was werden Politik und Wirtschaft aus der Corona-Krise lernen?

Dr. Hannes Zapf: Schon nach der Banken-Krise 2008 hatte sich gezeigt, dass die regionale Wirtschaft am schnellsten wieder anspringt. Bereits damals zählte der Bau zu den ersten Branchen, die Fahrt aufgenommen haben. Wenn die Politik die Weichen richtig stellt, kann die Baubranche wieder zum Konjunkturmotor für das ganze Land werden. In der aktuellen Situation hat die Politik bewiesen, dass sie schnell und unbürokratisch handeln kann. Ich würde mir wünschen, dass das Mehr an Tempo und das Weniger an Vorschriften auch nach der Krise beibehalten wird. Denn Corona hat schon jetzt deutlich gemacht, dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit Vertrauen, Verantwortung und Verständnis füreinander vieles ganz unbürokratisch auf den Weg bringen können.