Zum Hauptinhalt springen

„Wer kein klares Ziel hat, wird auch nie den richtigen Weg finden“

Standpunkt: DGfM-Geschäftsführer RA Christian Bruch kritisiert die unverbindlichen Ziele der Bundesregierung im Sozialen Wohnungsbau

DGfM-Geschäftsführer Christian Bruch

DGfM-Geschäftsführer Christian Bruch | Foto: Christoph Große

Geht es um die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, so hat die Ampelregierung ein Feuerwerk an Zielzahlen für 2030 entwickelt. Bis dahin sollen zum Beispiel rund 600 Terawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien bereitgestellt werden und die Bundesländer rund 2,0 Prozent ihrer Landesfläche für Windkraft ausweisen. Mindestens 15 Mio. vollelektrische Pkw möchte die Regierung auf Deutschlands Straßen sehen. 1,0 Mio. öffentlich und diskriminierungsfrei zugängliche Ladepunkte sollen die E-Mobilität gewährleisten. Den Schienengüterverkehr will man um 25 Prozent steigern, die Verkehrsleistung im öffentlichen Personenverkehr verdoppeln. Die Reihe ließe sich ohne weiteres um Zahlen aus Kraftwerks-, Wasserstoff- und XYZ-Strategie ergänzen. Und für den Sozialen Wohnungsbau? Was sind hier die Ziele der Bundesregierung bis 2030?

Eine offizielle Zielzahl für die Anzahl der Sozialwohnungen im Jahr 2030 gibt es derzeit nicht. Das Bauministerium betont, man wolle zunächst eine Trendumkehr erreichen. Es sollen mehr neue Sozialwohnungen gebaut werden, als aus der Bindung herausfallen.

Zielstellung für Sozialen Wohnungsbau zu unverbindlich

Zusammen mit Mieterbund, IG BAU, Baustoff-Fachhandel und Caritas halten wir als DGfM diese unverbindliche Zielstellung für nicht ausreichend. Immerhin hat sich die Bundesregierung im Indikator 11.3 der Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland das Ziel gesetzt, den Anteil der Personen, die in Haushalten leben, die mehr als 40 Prozent ihres verfügbaren Haushaltseinkommens für Wohnen ausgeben, bis zum Jahr 2030 auf 13 Prozent zu senken. Bei derzeitigen Neubaumieten jenseits von 20 EUR/m2 ist die Zielerreichung ohne signifikante Steigerung des Anteils von Sozialwohnungen am Wohnungsmarkt kaum vorstellbar.

Im Januar haben wir daher auf einer vielbeachteten Pressekonferenz erneut die Zielzahl 2,0 Mio. Sozialwohnungen bis 2030 in den politischen Raum gestellt und darauf hingewiesen, dass es für die gemäß Koalitionsvertrag anvisierten 400.000 neuen Sozialwohnungen in vier Jahren mindestens 50 Mrd. Euro Fördermittel braucht.

Der Staat als unfreiwilliger Treiber der Wohnungsmieten

Die Notwendigkeit besonderer Anstrengungen beim Sozialen Wohnungsbau wurde dabei auch damit begründet, dass der Staat in sehr angespannten Wohnungsmärkten, in denen es an bezahlbaren Alternativen mangelt, überhöhte und damit deutlich über dem Durchschnitt liegende Mieten bei der Übernahme der Kosten der Unterkunft zahlt. Der Staat wird dadurch unfreiwillig selbst zum Treiber der Wohnungsmieten.

Zuschüsse für Wohnen fünfmal höher als Sozialbauförderung

Inzwischen sind die Zuschüsse für das Wohnen fünfmal höher als die Förderung des Sozialwohnungsbaus. Zirka 15 Mrd. Euro werden von den Job-Centern für die Kosten der Unterkunft gezahlt, weitere 5,0 Mrd. Euro kommen aus den Wohngeldzahlungen dazu. Dagegen lagen die Ausgaben von Bund und Ländern für den sozialen Wohnungsbau in den letzten Jahren lediglich bei gut 4,0 Mrd. Euro pro Jahr. Diese Zahlen zeigen auch, dass nur der Sozialwohnungsbau eine Kostenbremse für die Sozialausgaben beim Wohnen sein kann.

Warum gibt die Regierung keine Ausbau- und Zubauziele vor?

Statt die Pressekonferenz, das Gutachten und die genannten Zahlen als Rückenwind für die Haushaltsverhandlungen zu nutzen, hatte die Bauministerin in einer ersten Reaktion die vorgelegten Zahlen mit starken Worten („ausgedacht“, „unseriös“) in Zweifel gezogen. Auch wenn diese Zweifel inzwischen ausgeräumt wurden, bleibt die Frage, warum gibt es keine eigene Zielzahl der Bundesregierung?

Wenn Politik ernsthaft meint, dass die Wohnungsfrage die entscheidende soziale Frage der Zeit ist, warum gibt es für den Wohnungsmarkt keine Ausbau- und Zubauziele, die Bund, Länder und Kommunen in die Verantwortung nehmen? Den Bund bei der Förderung, die Länder bei den Bauvorschriften und die Kommunen bei der Baulandausweisung.

An der Komplexität der Materie kann es jedenfalls nicht liegen.

Schon einfachste Überlegungen zeigen, dass die vom Verbändebündnis genannte Zahl von mindestens 2,0 Mrd. Sozialwohnungen jedenfalls nicht übertrieben ist. So sind ungefähr 50 Prozent der 43,4 Mio. Wohneinheiten in Deutschland Mietwohnungen. Und in etwa die Hälfte der Mieterhaushalte, also mindestens 10,0 Mio. Haushalte, haben inzwischen die Berechtigung auf eine Sozialwohnung. Jedem fünften Haushalte zu ermöglichen, auch eine solche Wohnung anzumieten, dürfte also ohne weiteres sachgerecht sein.

Dass solche Zielzahlen dennoch nicht formuliert werden, lässt an der Ernsthaftigkeit der Bemühungen zweifeln. Wer kein klares Ziel hat, wird auch nie den richtigen Weg finden.

Bei der Erfüllung des Nachhaltigkeitszieles hat man sich nach fast zehn Jahren Zielverfehlung im Jahr 2020 erst einmal mit einer Änderung der Stichprobenzusammensetzung beholfen und so den Anteil der mit Wohnkosten überforderten Personen von 13,9 auf 9 Prozent gedrückt.

Seitdem steigt der Anteil trotz positiver Einkommensentwicklungen in rasender Geschwindigkeit und stand 2022 schon wieder bei 11,8 Prozent. Sollten die Wohnkosten bei der Nachhaltigkeitsdebatte nicht bald die ihnen zustehende Bedeutung erlangen, wird sich bis 2030 die Stichprobenzusammensetzung wohl noch mehrfach zur Zielerfüllung ändern müssen.

Zeichen: 5.262