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Hohe Bedarfe bei wenig Fördergeld erfordern Umdenken bei Baustandards und Förderung

Standpunkt: DGfM-Geschäftsführer RA Christian Bruch zum Wohnungsbau-Tag 2024

Foto: DGfM / Christoph Große

DGfM-Geschäftsführer Christian Bruch im Portrait

Im Vorfeld des diesjährigen Wohnungsbau-Tages wurde bekannt, dass 11,3 Prozent der deutschen Bevölkerung in überfüllten Wohnungen leben. Laut Statistischem Bundesamt steigt diese wichtige Kennwert seit 2007 kontinuierlich an.

Die KFW verkündete ebenfalls kurz vorher, dass sich das inländische Fördervolumen in 2023 bei 77,1 Mrd. EUR (2022: 136,1 Mrd. EUR) normalisiert habe und ein wesentlicher Grund dafür deutlich niedrigere Zusagen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) seien. Bei Letzteren habe der Wechsel von der Breitenförderung zur fokussierten Spitzenförderung mit anspruchsvollen Standards zu einem Rückgang auf 16,1 Mrd. EUR (2022: 37,4 Mrd. EUR) geführt.

Hohe Bedarfe bei wenig Förderung – so lauteten also die Rahmendaten für das Fachforum des 15. Wohnungsbau-Tages am 11. April in Berlin.

Insofern wurde mit Spannung erwartet, ob Bundesbauministerin Klara Geywitz oder Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck politische Mittel und Wege zur Änderung der Situation aufzeigen würden.

Licht am Ende des Tunnels oder…?

Um es vorwegzunehmen, neue Impulse waren nach den Reden der beiden Spitzenpolitiker und den Nachfragen durch die Vertreter des Wohnungsbau-Bündnisses nicht erkennbar. Beschwichtigung wäre wohl die richtige Zusammenfassung der Statements in einem Wort. Allerdings verfing diese Stoßrichtung nicht. Während die Regierungsvertreter meinten, Licht am Ende des Tunnels zu sehen, warnte die Branche, dass sei das Licht des entgegenkommenden Zuges.

Und, um im Bild zu bleiben, dieser Zug sei nicht klein, sondern bestehe aus Wohlstand, Wachstum und Energiewende. Mit einem Gutachten des DIW wiesen die Initiatoren des Wohnungsbau-Tages nach, dass der mit 17 Prozent der gesamten deutschen Steuereinnahmen beladene und mit jedem siebten Euro der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung in Beziehung stehende Wohnungsbau genug Wirtschaftskraft hat, um diesen entgegenkommenden Zug entgleisen zu lassen.

Wir müssen einfacher bauen

Welche Weichenstellungen eine Kollision verhindern könnten, war dann Gegenstand des Gutachtens von Prof. Dietmar Walberg. Da die Wohnungsbaukosten von Q1/2020 bis Q4/2023 im Median von 3.028 EUR auf 4.318 EUR pro Quadratmeter gestiegen sind und ein Defizit von über 800.000 Wohnungen besteht, sieht Walberg die Notwendigkeit für ein konsequentes Hinterfragen der aktuellen Baustandards.

Ausführlich erläuterte er, dass „Anders Bauen“ und „Einfacher Bauen“ nur durch Maßhaltung, Skalierung, Substitution und Prozessoptimierung möglich sind.  Der dann entstehende „Regelstandard E“ zeichnet sich durch 25 Prozent geringere Herstellungskosten, niedrigeren Ressourcen- und Materialverbrauch aus, ohne geltende Normen oder Mindestanforderungen zu unterschreiten. Gerade reduzierte Deckendicken (18 cm Stahlbetondecke, statt 20 cm) und geringere Außenwanddicken (11, 5 cm KS- Außenwand statt 17,5 cm) senken nicht nur Baukosten, sondern führen auch zu zusätzlichen Wohnflächen und damit zu höheren Gebäudertragswerten.

Die Wohnungsbauförderung in Schleswig-Holstein stelle bereits auf diesen „Regelstandard E“ ab und schaffe damit rechtssichere Rahmenbedingungen. Um dies auch ohne Förderung zu ermöglichen, da waren sich Politik und Verbände mal einig, braucht es jetzt dringend zivilrechtliche Änderungen. Denn die in der Niedrigzinsphase und mit Förderungshochlauf gebauten Wohnungen bestimmen derzeit die anerkannten Regeln der Technik. Um davon abzuweichen, braucht es die rechtssichere Möglichkeit der Inbezugnahme eines staatlich vorgegebenen Regelstandards.

Eine auskömmliche Breitenförderung muss her

Aber, und auch das wurde am Wohnungsbau-Tag klar, nicht nur die Branche muss „Anders bauen“ – die Politik muss auch „Anders Fördern“. Wenn der Wohnungsbau die dargestellte Wirtschaftskraft hat, so muss die Förderung im Wohnungsbau eine Breiten- und keine Spitzenförderung sein, postulierte das Bündnis.

Statt die Erfüllung höherer Anforderungen durch Fördergelder zu ermöglichen, muss der Staat in schwierigen Zeiten breiten Bevölkerungsschichten weiterhin die Erfüllung von sinnvollen Regelstandards ermöglichen. Vor diesem Hintergrund war die Reduzierung der Wohnungsbauförderung auf ein historisch geringes Maß in 2023 ein vollkommen falscher Weg. Natürlich kann man hinterfragen, ob es sinnvoll war, Programme wie die BEG Wohngebäude-Zuschussförderung aufzulegen, die Anfang 2022 innerhalb von zwei Monaten ca. elf Milliarden Euro für fast 336.000 Wohnungen verschlangen. Aber lediglich ca. 96.000 über die KFW geförderte Wohnungen in 2023 sind einfach zu wenig und gerade keine Förderung „wie geschnitten Brot“, wie die Ministerin meinte. Denn seit 2017 wurden nie weniger als 200.000 Wohneinheiten gefördert.

Es sieht so aus, als hätte die Bundesregierung den Förder- und Finanzierungshahn zugedreht, als die von der Finanzkrise getroffene Branche diesen am dringendsten brauchte. Das Argument von Bundesminister Habeck, man habe nicht gegen die rapiden Zinserhöhungen der EZB anfördern wollen, weil sonst die Inflation nicht eingedämmt worden wäre, ist nicht schlüssig. Schließlich sollte auch im Rahmen des Heizungsgesetzes breit gefördert werden. Und auch höhere Mieten infolge des ausbleibenden Wohnungsbaus befördern die Inflation

Für das Wohnungsbaubündnis steht fest: Der Wechsel von der Breitenförderung zur Spitzenförderung kam zu Unzeit und muss dringend korrigiert werden. Die Durchsetzung von Regelstandards muss auch durch eine breite Wohnungsbauförderung verstärkt und nicht durch eine Spitzenförderung konterkariert werden.